Corona-Krise als Chance

Unternehmenschef Dr. Fritz Audebert sieht sein weltweites Unternehmen ICUnet.group besser aufgestellt als vorher.

Wie kommt ein Unternehmen durch die Corona-Krise, das ein weltumspannendes Netzwerk aufgebaut und von der Abwicklung internationaler Geschäftsbeziehungen lebt? Der plötzliche Lockdown hat Dr. Fritz Audebert, Vorstandsvorsitzenden der ICUnet.AG, fast verzweifeln lassen. „Hätten Sie mich Ende März gefragt, da war ich am Boden zerstört“, sagt der 54-Jährige, der sein Unternehmen mit 180 festangestellten und 350 freien Mitarbeitern von Passau aus führt. Dass genau die Krise zur Chance wird und das Unternehmen mit 21 Filialen weltweit und einem Jahresumsatz von 16 Millionen Euro nun besser aufgestellt ist als vorher, hätte er vor sechs Wochen nicht für möglich gehalten. Die PNP hat sich mit dem Firmengründer über die Lage in Corona-Zeiten unterhalten.

Herr Dr. Audebert, wie kam der plötzliche Umschwung zustande, der Sie jetzt zuversichtlicher stimmt?
„Wir haben in den vergangenen Wochen drei neue Großkunden gewinnen können: die Continental AG, Novomatic und die Bilfinger SE. Die drei Unternehmen haben die von unseren eigenen Softwarespezialisten entwickelte Global Mobility-Software gekauft. Global Player wie die Allianz, Brose, AUDI, Porsche und MAN setzen wie 50 weitere international hocherfolgreiche Unternehmen diese bereits ein.“

Global Mobility-Software: Was versteht man darunter?
„Weltweit gibt es derzeit neben unserem Tool nur eine weitere IT-Lösung aus den USA, über die Personalabteilungen alle internationalen Personalbewegungen effizient abwickeln können. Einzigartig ist bei der ICUnet-Lösung die end2end-Betrachtung. Das heißt z.B., dass der VW-Personalchef auf einen Blick feststellen kann, wie viele seiner Mitarbeiter gerade in Mexiko oder in Brasilien beschäftigt sind. Zusätzlich können Firmen mit Hilfe unserer Software das komplette Dienstreisemanagement abwickeln. So wissen sie, bei welchem Mitarbeiter das Visum oder die Arbeitserlaubnis abläuft, ob ein Flug verschoben ist oder ob der Mietwagen bereit steht, um einige Beispiele zu nennen. Damit können viele Unannehmlichkeiten vermieden werden und Unternehmen viele Millionen Euro sparen und sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Die ICUnet.AG hat in den letzten Jahren fast zwei Millionen Euro in die Entwicklung dieser Software gesteckt, um alle Auslandsprozesse digital abwickeln zu können.“

Aber in Zeiten wie diesen sind selbst Dienstreisen so gut wie zum Erliegen gekommen. Viele haben gemerkt, dass Videoschaltungen auch eine Lösung sein können.
„Natürlich ist Global Mobility im Moment nicht so einfach, aber es läuft langsam wieder an. Sicherlich wird der Flugverkehr nicht mehr das Aufkommen erreichen, das er vor Corona hatte. Aber Videokonferenzen alleine reichen nicht aus. Unsere Kunden melden uns zurück, dass diese den persönlichen Kontakt nicht ersetzen können. Apropos Videokonferenz: Wir haben zum einen festgestellt, dass viele Arbeitnehmer gar nicht technisch richtig ausgerüstet sind und zum anderen macht es bei Webinaren große Unterschiede, wie diese so durchgeführt werden, damit Kunden und Mitarbeiter bei der Stange gehalten werden. Guten online-Kontakt zu einem indischen Kollegen muss anders aufgebaut werden als beispielsweise zu einem Südamerikaner. Hier liegt unsere Stärke, weil auch unser Team multinational ist.“

Haben Sie Kurzarbeit?
„Wir waren die erste Zeit im Lockdown erst einmal damit beschäftigt, die Mitarbeiter unserer Kunden nach Hause zu holen oder fieberhaft Unterkünfte zu suchen, da viele Hotels plötzlich von heute auf morgen geschlossen wurden. Das zu meistern war ein Kraftakt. Aber unsere Mitarbeiter fanden großartiger Weise immer einen Weg. Sie genießen mein vollstes Vertrauen. Leistung = können x wollen x dürfen. Leitplanken vorzugeben ist Leitungsaufgabe.
Vor der Krise hatten wir pro Jahr 5000 Trainingsteilnehmer weltweit, als Marktführer von E-Learnings im interkulturellen Bereich konnten wir einen Teil der Trainings von face to face-Formate virtuell umsetzen. Gott sei Dank gibt es das Instrumen der Kurzarbeit. Damit konnten wir in diesem Bereich den abrupten Nachfragerückgang etwas ausgleichen.

Wie kamen Sie auf die Idee, so ein interkulturelles, weltumspannendes Netzwerk aufzubauen?
„Ich bin gebürtiger Landshuter, habe zunächst Groß- und Außenhandelskaufmann bei der Firma Pollozek in Pfarrkirchen gelernt, studierte anschließend Verwaltungswirtschaft und war anschließend Büroleiter am Forstamt Simbach am Inn. Es folgte das nach wie vor einzigartige Passauer Kulturwirtschaftsstudium. „Wer nichts wird, wird Kulturwirt“, haben die BWL-er und Juristen an die Wand der Toiletten an der Uni geschrieben. Das hat mich herausgefordert. „Das kann und darf doch nicht sein in einer immer globalisierteren Welt“, hatte ich mir damals gedacht. Damals, das war vor 19 Jahren. Kurz darauf erhielt die ICUnet.AG mit dem „Deutschen Gründerpreis“ aus den Händen von Bundespräsident Johannes Rau die wichtigste Auszeichnung für Unternehmensgründer in Deutschland.“

ICUnet – hört sich interessant an, was aber verbirgt sich genau dahinter?
„I see you in the Internet“ ist eines der Wortspiele, die man mit unserem Firmenlogo anstellen kann. Aber auch intercultural network oder international community sind darin enthalten.“

Make success global ist auch so ein Schlagwort, das Sie gerne nutzen. Aber das ausgerechnet von Passau aus?
„Das hat mich Maybrit Illner bei der Übergabe des Deutschen Gründerpreises auch gefragt. Ganz einfach, weil mir die Stadt unheimlich gut gefällt. Heute sind 45 Mitarbeiter in unserer Zentrale an der Fritz-Schäffer-Promenade/Rindermarkt beschäftigt, 15 in Hauzenberg und weitere 120 weltweit. Sie alle kümmern sich um das komplette Dienstreisemanagement von Firmen, um die gesamte Entsendungsproblematik mitsamt ihren Verordnungen. Die ICUnet.AG ist international aufgestellt, 40 Nationalitäten und 60 Sprachen. Wir erledigen weltweit das sogenannte Movemanagement. Dazu gehört u.a., dass unsere Experten Möbel verschiffen lassen, Wohnungen anmieten, sich um die Schulberatung für Kinder der jeweiligen Entstandten kümmern, ebenso wie um Hunde und Pferde, die mit umziehen. Auf den Punkt gebracht: Um absolut alles, was der Kunde wünscht.“

Und um was kümmert sich der Chef persönlich?
„Ich mußte in der Krise mehr denn je zum Kommunikator, Motivator und Moderator werden. Normalerweise haben wir nicht im gesamten Team in kurzen Zeitintervallen über alle Grenzen hinweg mit unseren Mitarbeitern konferiert – jetzt einmal im Monat. Bei der Schalte sind von China, Mexiko bis Singapur alle dabei.“

 

Wie sehen Sie als Global Player die Zukunft
Europas im internationalen Vergleich?
„Wichtig ist, dass wir Europäer nicht versuchen, China nachzueifern. Wir können keine zweite Seidenstraße bauen, unsere Stärken liegen vielmehr in der Vielfältigkeit unserer einzelnen Länder. Und hier sehe ich eine große Chance. Wobei ich wieder beim Forst bin: Ein Mischwald ist wesentlich stabiler als jede Monokultur – siehe aktuell die Fichtenwälder in Niederbayern!“

Interview: Elke Fischer
Passauer Neue Presse
10.07.2020