Geschäfte macht man nur mit Freunden

w.news, Oktober 2016

Fit für die deutsch-indische Projektarbeit: Länderübergreifendes Projektmanagement gehört in einer vernetzten Welt zum Ge­schäftsalltag. Unterschiedliche Arbeits- und Kommunikationskulturen kosten jedoch Zeit, Geld und gefährden mitunter das gesamte Projekt. Allerdings bieten gerade die kulturellen Unterschiede oft enormes Kreativ- und Erfolgspotenzial für neue Lösungsansätze und Synergien.

Geschäfte macht man nur mit Freunden

Die Vertrauensbasis ist entscheidend für den Erfolg des gesamten Projektes – bereits beim Kick-Off-Meeting. Indien zählt zu den beziehungsorientierten Kulturen. Von Kindesbeinen an sind Inder in hierarchische Beziehungsgeflechte eingebunden, die Fürsorge und Schutz „von oben“ und im Gegenzug Loyalität und Gehorsam garantieren. Auch im Arbeitsleben fühlen sich Inder am wohlsten, wenn sich das Projektteam als quasi „zweite Familie“ präsentiert. Eine Zusammenarbeit getragen von Vertrauen, Offenheit, Loyalität, und Commitment lässt sich nur erreichen, wenn Inder das Gefühl haben, als Menschen statt nur als Arbeiter wahrgenommen zu werden. So sollte man gerade zu Beginn ausreichend Zeit in ein persönliches Kennenlernen investieren. Bei rein virtueller Zusammenarbeit reicht auch ein nettes Telefonat zum gegenseitigen Vorstellen oder eine Videokonferenz mit persönlichem „Touch“ zum Eisbrechen. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf – je sympathischer der Einstieg, desto besser.

 

„The Boss is always right!“

Der Projekt Kick-Off ist auch eine wichtige Gelegenheit zum Klären der hierarchischen Verhältnisse. In Indien hat die Führungskraft in der Regel die alleinige Entscheidungsbefugnis. Der indische Projektmitarbeiter sieht sich als Ausführender, der die Vorgaben des Chefs aus Respekt vor dessen Position nicht infrage stellt. In Deutschland, zählen Eigenständigkeit, Kreativität und Mitdenken zu den elementaren Anforderungen an die Experten im Projektteam. Das eher abwartende Verhalten vieler Inder dagegen wird fälschlich als Passivität, Unmotiviertheit oder sogar als Sabotage missverstanden. Interkulturelle Missverständnisse entstehen beispielsweise, wenn mangelnder Widerspruch

seitens der indischen Kollegen als Zustimmung gedeutet wird, dieser aber einfach nur höflich sein wollten. So warten indische Kollegen mit Entscheidungen teils bis der Projektleiter auftaucht. Daher hat der Projektleiter gegenüber seinen indischen Kollegen in Indien immer die „Holschuld“ – er fordert den aktiven Dialog ein und hält den Kontakt bewusst zu seinen Teammitgliedern aufrecht – er nimmt sie mit.

 

„Never say No!“

Inder werden von Kindheit an dazu erzogen, ein „Nein“ im Sinne einer Ablehnung – auch „Es geht nicht“, „Ich schaffe nicht…“ – zu vermeiden. Sehr gerne wird gesagt, was das Gegenüber gerne hören möchte. Harmonie ist Trumpf! Daher achten Sie bitte auf Nuancen zwischen den Zeilen: ein „We´re working very hard on this“ oder „I´ll get back to you later“ kann eine indirekte Ablehnung sein, die man als direkt Kommunizierender leicht überhört.

 

Fazit

Bei all den Unterschieden in deutsch-indischer Arbeitskultur sollte man aber nicht vergessen, dass Projektarbeit über Kulturgrenzen auch Chancen birgt: bei richtiger interkultureller Vorbereitung lassen sich nicht nur Fettnäpfchen vermeiden und Projekte wunschgemäß „in time, in budget, in scope“ abschließen. Man kann auch lernen, neue Herangehensweise auszuprobieren und Synergiepotenziale zu nutzen. Inder sind, wenn man erst einmal ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut hat und sie sich gut geführt fühlen, sehr flexibel und innovativ, höchst motiviert und hart arbeitend. Man muss nur wissen, wie!