Verfasst in München, verstanden in Mumbai: interkulturelle Herausforderungen für globale Pressemitteilungen

Eine internationale Pressemitteilung muss lesenswert sein, Nachrichtenwert besitzen und weltweit funktionieren. Drei Herausforderungen, die nur bewältigt werden können, wenn PR-Verantwortliche interkulturelle Unterschiede für das Verfassen von Pressemitteilungen identifizieren und überwinden.
Dass Kommunikation nationale Besonderheiten aufweist und dass man sich für internationale Geschäftsbeziehungen kulturelles Wissen aneignen sollte, ist bekannt. Viele Geschäftsleute sind heute gut auf Auslandsreisen und -entsendungen vorbereitet, indem sie ein interkulturelles Training absolviert haben. „Kulturelle Prägungen beziehen sich jedoch nicht nur auf verbale Kommunikation, auf Gesten, Etikette und Landes-‚typische‘ Verhaltensweisen, vielmehr beeinflussen sie auch das geschriebene Wort“, betont Britta Lange, Kommunikationsexpertin bei Bourquin & Partner. Daniel Auwermann, Managing
Partner der ICUnet.AG bestätigt dies und ergänzt: „Es stellt sich daher die Frage, ob eine international relevante Pressemitteilung standardisiert oder besser lokal adaptiert aufgesetzt und verbreitet werden soll.“
Landestypische Spezialitäten in der Kommunikation
Gemeinsam mit der ICUnet.AG, Spezialist für Interkulturelle Qualifikation und Relocation Service, untersuchen die Kommunikationsberater von Bourquin & Partner, Köln, mit ihren Agenturmarken „pr people“ und „Automotive PR Germany“ die Auswirkungen interkultureller Unterschiede auf das Verfassen von mehrsprachigen Pressemitteilungen. Den Auftakt der Untersuchungsreihe macht eine Masterarbeit mit dem Titel „Interkulturelle PR-Beratung: Unterschiede im Verfassen von Pressemitteilungen – Eine Gegenüberstellung für die USA, Großbritannien und Deutschland am Beispiel der Automobilindustrie“.
Kulturelle Prägung des Autors beeinflusst Stil und Aufbau
Die vergleichende Untersuchung von Pressemitteilungen der Zielmärkte USA, Großbritannien und Deutschland zeigt, dass sich die kulturelle Prägung eines Autors, sprich seine Enkulturation, nachweislich auf den Stil der Pressemitteilung auswirkt. „Eine wörtliche Übersetzung des Ausgangstextes in die Fremdsprache reicht darum in der Regel nicht aus, um Kernaussagen angemessen zu transportieren“, folgert Lange.
Brauchen multinationale Unternehmen global gültige Pressemitteilungen?
Die Automobilbranche agiert durch und durch global. So werden Produktentwicklungsprozesse heute meist in länderübergreifend zusammengestellten Teams simultan organisiert und ausgeführt. Alle zentralen Geschäftsprozesse, etwa Einkauf, Logistik und Human Resources, sind global strukturiert. „In der Regel wird auch die Unternehmenskommunikation der Konzerne multinational ausgerichtet, selten allerdings mit den erforderlichen Ressourcen ausgestattet. Oft wird ein „Glocal“-Ansatz („Think Global, Act Local“) in den meisten Strategiepapieren der internationalen Public Relations zumindest in der Theorie berücksichtigt“, ergänzt Lange. Jedoch werden in der Praxis häufig in der Schlussredaktion und bei der Freigabe einer Pressemitteilung durch die
zentrale Unternehmenskommunikation am Stammsitz lokale Besonderheiten vernachlässigt.
Zentrale versus Tochter: ein kommunikativer Grabenkampf?
„Eine im Ausgangsland detailliert recherchierte und sauber formulierte Pressemitteilung fällt dem Rotstift zum Opfer oder wird umgeschrieben, sonst passiert sie die Freigabe der Zentrale nicht. Und der Autor versteht die Welt nicht mehr“, beschreibt Lange das Problem. „Diskussionen um richtig oder falsch, um lang oder kurz, um faktenorientiert oder emotionsgeladen sind die Konsequenz. Dieses Übersetzungsproblem wird jeweils mit dem entsprechenden Unverständnis der Gegenseite honoriert. Zwischen professionellen
Redakteuren und Kommunikationsprofis von Detroit über Birmingham bis Stuttgart oder Shanghai brechen regelrechte Grabenkämpfe aus. Massive Prozessverzögerungen sind die Folge und nicht selten kommt es vor, dass Textfreigaben erst mit deutlicher Verspätung zurückkommen oder ein Text gar auf der Strecke bleibt, weil das Zeitfenster der Aktualität verpasst wurde“, führt die Kommunikationsexpertin weiter aus.
Länderspezifische Werte und Muster spiegeln sich in der Kommunikation
„Warum das passiert, erklären im Detail die geläufigen interkulturellen Modelle nach Hofstede oder Hall“, sagt Auwermann. „Die Ausprägung interkultureller Dimensionen zeigt, welche soziokulturell ‚gelernten‘ Verhaltensmuster in einer Gesellschaft dominieren. So gibt es deutliche Abweichungen im kulturellen Selbstverständnis verschiedener Nationen oder Kulturkreise. Länderspezifische Werte und Muster schlagen sich deutlich auch in der Schriftform und in der Interpretation des geschriebenen Wortes nieder, das hat die Untersuchung der Pressemitteilungen im Ländervergleich belegt“, ergänzt er.
pr people, Automotive PR und ICUnet.AG unterstützen Abschlussarbeiten
Die ICUnet.AG, pr people und Automotive PR Germany suchen noch Abschlussarbeiten, die Besonderheiten weiterer Kulturkreise untersuchen – und zwar zunächst am Beispiel der B2B-Kommunikation von globalen Technologiekonzernen und international agierenden Mittelstandsunternehmen aus Transport, Logistik und Mobilität. „Ein konkretes Interesse besteht von unserer Seite momentan in Richtung Osteuropa. Wie gehen etwa Kommunikationsverantwortliche in Polen, Rumänien oder in der Türkei mit Pressemitteilungen um, die aus amerikanischer, französischer oder deutscher Perspektive geschrieben wurden?“, so Lange. „Es ist unser Ziel, jährlich etwa ein bis zwei relevante Abschlussarbeiten gemeinsam mit der ICUnet.AG, gerne auch unter Mitwirkung interessierter Industrievertreter, fachlich zu unterstützen.“ Angenommen werden ausschließlich Masterarbeiten, Doktorarbeiten oder andere Postgraduierten-Abschlussarbeiten der Kommunikationswissenschaften, keine Bachelor-Thesis. Arbeiten, die mit der Note ‚sehr gut‘ abschließen, qualifizieren sich zudem für eine finanzielle Förderung. Interessierte Studierende wenden sich info@pr-people.de.
Literaturempfehlungen
HOFSTEDE, Geert: Culture’s consequences. Comparing values, behaviours,
institutions, and organizations across nations, Thousand Oaks 2001.
HOFSTEDE, Geert: Lokales Denken, globales Handeln. Kulturen,
Zusammenarbeit und Management, München 1997.
HALL, Edward T.: The Silent Language, New York 1959.
HALL, Edward T. und HALL, Mildred Reed: Verborgene Signale: Studien zur
internationalen Kommunikation. Über den Umgang mit Amerikanern, Hamburg
1983.